Portrait „Guitars On Demand“
Hallo liebe Rocker,
wir starten heute mal mit einer kleinen Serie von Portraits, bei der wir regelmässig unregelmässig interessante Leute rund um die Gitarre vorstellen, die nach unserer Meinung richtig „was drauf ham“ und nicht unbedingt Mainstream sind.
Und los geht´s mit Albert Anhut aka Liber Freimann, der im schönen Stade sein Studio hat und dort tolle Custom Guitars baut.
Ich bin bereits stolzer Besitzer einer modifizierten Tele von Al, die Electric Suzie. Umso gespannter war ich jetzt auf weitere Gitarren aus dem Hause DCA. Al hat uns zum Testen für einige Tage die Green Lantern aus der neuen Collection geschickt. Dabei handelt es sich um eine DCA Premium Gitarre mit vergoldeter Hardware von GFS mit tollen Pickups und Tremolo.
KURZREVIEW:
- Look: Absolut eigenständig und kreativ.
- Handling: Liegt fantastisch in der Hand, tolle Balance, macht Spass! Die Bespielbarkeit des Halses hat leider nicht unseren Geschmack getroffen (Update: Al hat einen neuen Hals bestellt und wird ihn austauschen, sobald ich die Gitarre zurück geschickt habe).
- Sound: Karamell mit Sahne! Grosse Klasse! Vor allem der Neck-Pickup hat es uns angetan. Vom Tele-Twang bis zum satten Lead bleiben keine Wünsche offen. Tolles Sustain!
- Verarbeitung: Echte liebevolle Handarbeit. Wir haben die Green Lantern noch vor der Endkontrolle bekommen, das Finishing und Polishing wird immer erst kurz vor dem Verkauf gemacht.
- Besonderheit: 3-monatige Zufriedenheitsgarantie; alle Änderungswünsche des Kunden werden kostenlos durchgeführt (lediglich Material wird berechnet).
- Preis: 745 Euro
- Verdikt: Tolle Gitarre für Leute, die sich ein – im wahrsten Sinne – einzigartiges Instrument wünschen, das gut klingt und Spass macht.
INTERVIEW:
Mike: Lieber Al, Du bist Musiker, bildender Künstler, Tonmeister und Gitarrenbauer – also fast schon ein Universalgenie. Wie siehst Du dich selber?
Al: Als ein Mensch der früh gelernt hat, für seine Sachen einzustehen, und Wege zu suchen sie zu vermitteln. Und als jemand der ständig nach Perfektion strebt, ohne sie jemals wirklich zu erreichen. Das „Lernen“ an sich ist es, was mich bei allem Schaffen am meisten zufrieden macht. Also, kurz: als „Künstler“ in der ursprünglichen Bedeutung.
Mike: Wie bist Du zum Gitarrenbau gekommen?
Al: Meine erste Gitarre, eine sog. Wandergitarre, habe ich elektrifiziert mit 12 Jahren. Dann habe ich immer wieder mal was umgebaut und mit neuen Materialien experimentiert (Acryl und Glasfaser… ) vor dreissig Jahren habe ich meine erste echte DCA (Anmerkung von Mike: D’art Custom Art Guitars) gebaut. Und danach immer mal was für mich selbst und für Freunde gemacht. Vor gut vier Jahren dann bekam ich einen ersten richtigen Auftrag, für jemanden eine Gitarre zu bauen (grosse Archtop Jazzgitarre). Die habe ich, als Bindung mit einem tollen Perlmutt Mosaik gemacht. Das hat mir so viel Freude bereitet, dass ich dann das Projekt „D’art Custom Art Guitars“ gestartet habe.
Mike: Hast Du selber eine Lieblingsgitarre?
Al: (Lacht) Nein, ich habe viele Lieblingsgitarren, für viele Formen der Musik.
Mike: Welche Art von Musik gefällt Dir?
Al: Alles, ausser Schlager und Hitparade. Na ja, es gibt schon ausgesprochene Favoriten im Bereich der sog. Prog-Rock Musik, Gentle Giant, King Crimson, ELP, Procol Harum, Soft Mashine, Tim Buckley, Karajan, Bach… ach eigentlich alles was gut geschrieben und gut gemacht ist. Und es muss eigenständig und originell sein.
Mike: Was ist das besondere an deinen Gitarren?
Al: Das kann ich gar nicht so sagen. Zuerst mal der Preis: Ich arbeite zusammen mit Betti Gefecht seit gut 30 Jahren in einem Bereich, den wir selber FUN FACTORY nennen. Und das heisst: gute Arbeit und schöne Dinge – für relativ wenig Geld. Sie sind optisch und klanglich irgendwie Besonders. Und alle wirklich alle Gitarristen die sie gespielt haben, sind vom Sound überzeugt.
Mike: Welchen Stellenwert hat die Elektronik bei deinen Gitarren?
Al: Wie alles andere auch. Ich versuche jedesmal ein besonderes Instrument zu bauen, sowohl im visuellen Design, aber eben auch im Klang-Design. Die Elektrik, die Tonabnehmer und Regler/Schalterfunktionen spielen dabei eben auch eine grosse Rolle.
Was den Klang angeht so habe ich zwei Primärziele, die ich beide in einem Instrument realisieren will: 1. ein etwas zurückgenommener aber brillanter und durchsetzungsfähiger Rhythm-Sound und 2. ein druckvoller und kräftiger Soloton. Aber ich arbeite dabei auch gerne mit den Sätteln (Brillante Bar – eine Art Bund, den ich selbst entwickelt habe) und mit den Bridges und Saitenhaltern, bei denen ich auch einige Dinge wegen des Klangs ganz anders mache, oder selber baue.
Und das muss ja dann alles mit der Elektrik, den PUs abgestimmt sein und ein harmonisches Ganzes ergeben. Ich glaube, darin liegt eine Besonderheit meiner Arbeit, dass ich all das für jeweils dieses eine, unique, Instrument beachte und sorgfältig jedes Mal neu erarbeite. Jedes Instrument von mir ist ein absolutes Unikat, in Gestaltung und Klang-Gestaltung.
Mike: Woher nimmst Du deine Inspiration?
Al: Ach, Mike, wenn ich das mal wüsste. Tatsächlich fallen mir Ideen ins Hirnchen, wie der Kuh die Fladen auf die Weide. Schönheit an sich ist ja eine Inspiration, und es gibt so viele Formen und Vorstellungen von Schönheit, an diesem gigantischen Busen habe ich ja gerade mal angefangen zu säugen. Gerade habe ich Betti in eine Drogerie begleitet. Da habe ich wunderschöne Ohrgehänge gefunden, aus tiefblauen Kristallen… dabei explodierte ein Bild in meinem Hirnchen, und ich konnte schon die fertige Gitarre sehen.
Durch mein jahrelanges Training in verschiedenen Meditationspraktiken, habe ich mir auch die Fähigkeit erarbeitet, Ideen und Vorstellungen die ich habe zu visualisieren und zu stabilisieren.
Mike: DCA – was steht im Vordergrund: Art oder Custom?
Al: Ganz klar die ARTS, ohne diese hätte ich nicht angefangen.
Mike: Du hast jetzt eine neue Richtung eingeschlagen: Guitars On Demand. Wie funktioniert das?
Al: Jemand schaut sich meine Gitarren an, und denkt sich: Das gefällt mir, das gefällt mir nicht… oder das gefällt mir aber ich möchte es anders haben. Dann fragt er an: Kannst du mir dies und das bauen? Was wird es kosten? Welche Alternativen gibt es noch, u.s.w. Und wir unterhalten uns und ich schlage was vor, und er oder sie bringen ihre Vorstellungen und Wünsche vor, und dann bau ich das Teil. Dabei wird jeder Schritt dokumentiert (mit Fotos und so) so, dass der Gitarrist oder die Gitarristin, jeden Schritt noch einmal mit mir abstimmen können.
Mike: Kann sich jeder von Dir eine Gitarre bauen lassen?
Al: Natürlich, selbstverständlich.
Mike: Alles Handarbeit, das klingt ja mal richtig teuer. – Kann ich mir das überhaupt leisten?
Al: Ja, ich bemühe mich stets um Qualitäts-Materialien zu einem guten Preis. Es mag blöd klingen, aber ich denke und wünsche mir, dass es besser ist, sich eine DCA-Gitarre so bauen zu lassen, wie man sie sich immer erträumt hat – als viel Geld für immer wieder neue Gitarren aus zu geben, die einen dann nicht wirklich glücklich machen. Also so ab 500 bis 600 kann man sich was Eigenes bauen lassen. Und meine Preise, siehe oben, Fun Factory Philosophie, sind echt für simple man, und nicht hoch, eher sehr niedrig.
Mike: Wenn ich mir von Dir eine Gitarre bauen lassen will, wie lange dauert es, bis ich das gute Stück dann in Händen halten kann?
Al: Die Dauer ist nicht unter sechs Wochen… und dann kommt es darauf an, wie complicated das Teil ist, und ob ich noch was in Asien oder USA bestellen muss, etc. pp. Im Schnitt würde ich sagen, so mit 10 Wochen sollte man rechnen.
Mike: Du gibst sage und schreibe drei Jahre Garantie auf deine Instrumente. Tolle Sache für den Kunden, aber Hand aufs Herz, wie kannst Du dir das als Kleinstunternehmen leisten?
Al: Ich glaube, ich verstehe deine Frage nicht. Drei Jahre Garantie sind doch inzwischen beinahe selbstverständlich. Und wenn ich Mist gebaut habe, bring ich das in Ordnung.
Viel abgefahrener ist allerdings meine drei monatige „Zufriedenheits-Garantie“. Wenn du die Gitarre hast, und dir fällt etwas auf oder ein was du noch gearbeitet haben willst, oder verändert haben willst, z.B. ein Tremolo eingebaut haben möchtest, dann mach ich das kostenlos! Das einzige was ich berechne ist das neue Material. Ich will doch, das meine Freunde mit meinem Instrument wirklich glücklich und zufrieden sind. Das ist mein ethisches Prinzip.
Mike: Was für eine Gitarre würdest Du gerne bauen, wenn Zeit und Geld keine Rolle spielen würden?
Al: Ja, keine Ahnung – ich kann ja nur machen, was ich mache. Wenn jemand nun statt grünem Kristall (Schmarotzki) echte Saphire verarbeitet haben will, dann spielt für ihn Geld wahrscheinlich keine Rolle. Aber ich habe solche Gedanken eigentlich nicht, weil für mich Geld und Zeit immer eine Rolle spielen. Von beidem hab ich nicht mehr viel – ohne Bedauern.
Mich hat mal jemand gefragt, warum ich meine Instrumente so günstig anbiete. Meine Antwort: Weil meine Freunde auch nicht mehr Geld haben als ich. Ist jetzt nicht unbedingt das Marketing-Ideal… (lacht!)
Mike: Sag mal, wie hast Du selber eigentlich Gitarre gelernt?
Al: Ja, am Anfang selber beigebracht mit Büchern und so, und dann habe mal hier mal dort was aufgeschnappt, oder ein paar Stunden genommen. Sogar mal zwei Semester Gitarre Klavier und Gesang studiert – und dabei festgestellt, dass Musik immer noch wie Medizin als eine Art Geheim-Wissenschaft vermittelt wurde. Dabei gibt es ja nur 12 Töne, für alle Musik der Welt.
Ich finde eure Online-Gitarrenschule auch echt prima. Ich bin ja auch ein echter Fan all dieser Neuen Medien. Schon was da an didaktischen Möglichkeiten geboten wird, ist ja mit meiner Zeit gar nicht zu vergleichen.
Mike: Danke Al für das Interview; ich bin gespannt, welche Gitarren-Kreationen Dir in der nächste Zeit einfallen!
Al: Sehr gerne! Und euch weiterhin alles Gute für euer Projekt Play-Guitar.de!
LINKS:
– Website Guitars On Demand
– Al bei Facebook
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